Mastodon
21.09.2023 Baby…

Foto: Sofia mit ihren Eltern beim Besuch ihres Operationsteams in der Angelika-Lautenschläger-Kinderklinik des UKHD: (v.l.) die Kinderherzchirurgen Prof. Dr. Tsvetomir Loukanov und PD Dr. Philippe Grieshaber, Sofia mit ihren Eltern, Thoraxchirurg Prof. Dr. Martin Eichhorn. Quelle: Universitätsklinikum Heidelberg

Sofias Start ins Leben war alles andere als einfach. Sechs Wochen zu früh geboren, litt sie an einem Lungentumor, der sie zu ersticken drohte. Das ist so selten, dass ihre Operation für das Behandlungsteam des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD) in mehrfacher Hinsicht eine besondere Herausforderung darstellte: Aus den Voruntersuchungen ließ sich nicht eindeutig schließen, welche Art von Gewebe die Lunge des Mädchens verdrängte. Zudem erforderte der komplexe Eingriff im Brustkorb der frühgeborenen Sofia ein Hand-in-Hand-Vorgehen von verschiedenen Spezialistinnen und Spezialisten, die bisher noch nicht gemeinsam an einem OP-Tisch standen. „Innerhalb kürzester Zeit stand das Team fest und wir konnten mit den Vorbereitungen beginnen – das ist der Geist eines Universitätsklinikums! Wir wussten nicht genau, was uns erwarten würde, nur dass die Operation für Sofia die einzige Überlebenschance war“, berichtet Professor Dr. Tsvetomir Loukanov, Leiter der Sektion Kinderherzchirurgie am UKHD. Der Thoraxchirurg Professor Dr. Martin Eichhorn ergänzt: „Dank der guten Vorbereitung und Absprache untereinander kam es während der rund fünfstündigen Operation zu keiner einzigen kritischen Situation und wir konnten bestmöglich gewebeerhaltend operieren.“ Inzwischen wurde Sofia entlassen und hat den Eingriff hervorragend überstanden.

Dass etwas nicht stimmte, hatte Sofias Mutter im Gespür, als sie an einem Freitag im Dezember 2022 ihren Frauenarzt aufsuchte. Die Ultraschalluntersuchung zwei Wochen zuvor war unauffällig gewesen, aber an diesem Tag hatte sich zu viel Fruchtwasser angesammelt. Sie wurde daher zur weiteren Diagnostik und Beobachtung ans Universitätsklinikum Heidelberg verwiesen. Die Untersuchung durch den Heidelberger Experten für Pränataldiagnostik, Dr. Michael Elsässer, ergab: Sofias Lunge war mit Gewebe gefüllt, jedoch deutete nichts auf eine baldige Geburt hin, weitere Untersuchungen sollten folgen. Doch noch am selben Abend platzte die Fruchtblase, Sofia kam per Notkaiserschnitt auf die Welt. Sie hatte Atemnot, musste intubiert werden. Eine Computertomographie zeigte das Ausmaß ihrer Erkrankung: Ein Tumor verdrängte fast den gesamten linken Lungenflügel, das Herz befand sich auf der rechten statt auf der linken Seite des Brustkorbs. Das Team der Klinik für Neonatologie am UKHD zog die Kinderherzchirurgen Prof. Loukanov und Privatdozent Dr. Philippe Grieshaber zurate, diese holten die Thoraxchirurgen Professor Dr. Hauke Winter und Prof. Eichhorn ins Boot. „Dann mussten wir abwarten, bis sich Sofias Zustand stabilisiert hatte“, erinnert sich Prof. Loukanov. „Das war für die Eltern eine sehr belastende Zeit.“

 

 

 

Für Thoraxchirurg Prof. Dr. Martin Eichhorn (M. mit Sofia) war die Operation eines frühgeborenen Kindes wenige Tage nach der Geburt, gemeinsam mit den Kinderherzchirurgen Prof. Dr. Tsvetomir Loukanov und PD Dr. Philippe Grieshaber (1. u. 2. v.l) eine besondere Herausforderung. Hier mit den Eltern (r.) bei einem Besuch in der Klinik. Quelle: Universitätsklinikum Heidelberg

Seltener Tumor weltweit erst rund zehnmal beschrieben

Im Alter von elf Tagen wurde Sofia operiert. Um den Operationstisch standen Kinderherz- und Thoraxchirurgen, Kinderanästhesisten und Kardiotechniker. Im Hintergrund hielten sich Teams der Neonatologie, der Kinderchirurgie und der Kinderkardiologie bereit, um im Notfall einspringen zu können. Für Thoraxchirurg Prof. Eichhorn war vor allem Sofias kleiner Brustkorb mit der tumorbedingten Verlagerung der Organe eine Herausforderung: „Wir operieren an der Thoraxklinik zwar Kleinkinder mit angeborenen Lungenzysten, aber diese Kinder sind älter, da die Eingriffe meist nicht ganz so dringend nach Geburt erfolgen müssen. Wir haben die OP-Schritte daher nach Erfahrung aufgeteilt: Die Kinderherzchirurgen öffneten den Brustkorb und stellten bestmögliche Operationsbedingungen durch den Einsatz einer Herzlungenmaschine her. So konnten wir unter maximaler Schonung von gesundem Lungengewebe den Tumor vollständig entfernen.“ Das entnommene Gewebe entpuppte sich als höchst seltener, aber gutartiger Tumor des Lungenzwischengewebes, der weltweit erst rund zehnmal beschrieben wurde.

Behandlung von Früh- und Neugeborenen keine „One-Man-Show“: Expertise unterschiedlicher Disziplinen muss ineinandergreifen

Keine 24 Stunden später wartete Sofia mit einer Überraschung auf: „Das Röntgenbild von Sofias Brustkorb sah abgesehen von den Spuren der Operation beinahe unauffällig aus: Ihr Herz war von ganz allein wieder an die richtige Stelle gerutscht und die Lunge hat sich soweit entfaltet, dass wir optimistisch sind, dass sie sich während des Wachstums weitgehend regenerieren wird“, freut sich Prof. Loukanov. Dieser positive Ausgang sei vor allem der unkomplizierten interdisziplinären Zusammenarbeit am Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin des UKHD zu verdanken, stellt er klar: „Gerade die Behandlung so kleiner Kinder ist – unabhängig von der Erkrankung – keine One-Man-Show: Die Versorgung beginnt bereits mit einer kompetenten Pränataldiagnostik und geht nach der OP weiter mit neonatologischer Intensivmedizin, Kinderradiologie und Kinderpneumologie.“

Für die Eltern war in dieser belastenden Zeit für die ganze Familie – Sofia hat zwei ältere Geschwister – die einfühlsame und umfassende Betreuung eine große Stütze: „Wir haben uns sehr gut aufgehoben gefühlt: Das gesamte große Team war für uns ansprechbar, auf der Frühgeborenen-Intensivstation, die Kinderherzchirurgen, im Sozialpädiatrischen Zentrum, bei der Physiotherapie und die Lungenfachärzte“, so Sofias Mutter. „Ich habe von Anfang an nicht daran gezweifelt, dass Sofia es schaffen kann.“ Einen Tipp kann sie Eltern in ähnlicher Situation mitgeben: Im Verein „Bundesverband zur Begleitung von Familien vorgeburtlich erkrankter Kinder e.V.“ beraten Betroffene und stellen sehr schnell den Kontakt zu Patinnen und Paten her, deren Kinder mit gleicher oder ähnlicher Erkrankung zur Welt kamen. Diese helfen bei der Suche nach einem Behandlungszentrum, informieren über Unterstützungsmöglichkeiten, begleiten und teilen ihre Erfahrungen.

Eine wissenschaftliche Veröffentlichung zu Sofias interstitiellen Lungentumor und Behandlung ist in Vorbereitung.

Weitere Informationen im Internet

Sektion Kinderherzchirurgie  des UKHD

Thoraxklinik Heidelberg: Thoraxchirurgie

Kontakt

Prof. Dr. Tsvetomir Loukanov
Leiter der Sektion Kinderherzchirurgie
Chirurgische Klinik des UKHD
Tel.: 06221 56-8027
E-Mail: tsvetomir.loukanov(at)med.uni-heidelberg.de

Prof. Dr. Martin Eichhorn
Leitender Oberarzt
Abteilung Thoraxchirurgie
Thoraxklinik am UKHD
E-Mail: martin.eichhorn(at)med.uni-heidelberg.de